Vom Patron zur Kollektivgesellschaft unter Theophil Zürrer-Syfrig und nach seinem Tod dessen Witwe und Geschwister
Mit Oberst Theophil Zürrer-Schwarzenbach starb 1905 der letzte Vertreter der zweiten Generation. Paul, der Sohn seines Bruders Emil, war in der Mechanischen Seidenweberei Adliswil engagiert, weshalb das Geschäft in Hausen in den Händen seiner Kinder Robert Zürrer-Illi, Theophil Zürrer-Syfrig und Fanny Weisbrod-Zürrer blieb.
Aktiv in der Firmenleitung war Theophil junior als Vertreter der 3. Generation. Neben seiner Beanspruchung im Geschäft wirkte er während zwei Amtsdauern als Gemeindepräsident und ebenso während zwei Amtsdauern als Kantonsrat. In der Gemeinde Hausen erbaute er 1903 den alten Kindergarten an der Albisstrasse 16 (Villa Via). Dabei handelt es sich heute um eines der ältesten Gebäude dieser Art im Kanton Zürich. Er wollte damit nicht ganz uneigennützig erreichen, dass die Kinder seiner Arbeiterfamilien gut betreut wurden. Frau Dr. Barbara Zürrer-Illi, die Schwester von Julie Binzegger-Illi von der Schmitte in der Alten Post, hat sich als Mitglied der Kommission um den Kindergarten gekümmert.
Theophil junior war der erste Präsident des Verschönerungsvereins Hausen, der 1897 gegründet wurde, um „durch geeignete Mittel, wie Erstellung von Ruhebänken, Anlegung von Wegen, Pflanzung von Schattenbäumen etc. Einheimischen und Fremden den Aufenthalt in der Gemeinde angenehm zu machen“. In den Statuten heisst es weiter: «Um die gesunde Luft unserer Gegend und die herrlichen Aussichtspunkte, davon es in unserer Gegend so viele gibt, mit Spaziergängen verbinden zu können, soll mit der Erstellung der Bänke gleich begonnen werden, was keine ökonomischen Schwierigkeiten bereitet, da jetzt schon durch den Vorsitzenden ein Geschenk von Robert Schwarzenbach in Thalwil angekündigt wird.»
Nach der Wanderung sollte einem kühlen Bad nichts im Wege stehen. An der Generalversammlung des Vereins 1906 wurde die Idee lanciert, am Türlersee eine Badeanstalt einzurichten. Der Landeigentümer, Theophil Zürrer, trat das dafür erforderliche Land ab unter der Bedingung, «dass dasselbe bei der Aufhebung der Anstalt wieder an den Eigentümer zurückfalle». Für die Badeanstalt, die der Verschönerungsverein realisierte, arbeitete die ganze Gemeinde zusammen. Präsident Theophil Zürrer finanzierte eine Kabine, damit sich Frauen und Mädchen darin neugierigen Blicken entziehen konnten. Zu Ehren von Theophil Zürrer junior wurde später vom Verschönerungsverein der Zürrer-Syfrig-Brunnen am Bürglenstutz auf dem Weg zum Albishorn gestiftet.
Zürrer Syfrig Brunnen am Bürglenstutz
Seine Schwester Fanny Zürrer, „Jäger-Fanny“ genannt, weil sie mit dem Vater die Leidenschaft fürs Reiten und Jagen geteilt hatte, wurde vom Vater offenbar auch in die Technik der Textilherstellung eingeführt, hatte aber bis zum Tod ihres Bruders keine aktive Rolle inne. Sie heiratete 1904 Gustav Weisbrod, den Sohn des Weinhändlers Franz Peter Weisbrod von Affoltern am Albis, der 1873 aus der Kurpfalz (D) in die Schweiz gezogen war. Das Gebäude der ehemaligen Weinhandlung Weisbrod steht heute schön saniert und unter Denkmalschutz am Kronenplatz in Affoltern am Albis. Die drei Söhne des Ehepaars, Gustav Hubert (*1905), Max Richard (*1906) und Hans Robert (*1907) spielten später als 4. Generation in der Führung eine wichtige Rolle.
Fanny Weisbrod Zürrer mit Rehbock und Sohn Richard Weisbrod
Das Kraftwerk Aeugstertal, eine Pionierleistung
1908 erneuerte Theophil junior das Kraftwerk Aeugstertal mit Kosten von 216’000 Franken und erwarb vom Kanton eine 80-jährige Konzession.
Anstelle des offenen Kanals wurde eine Druckleitung mit einem Durchmesser von 70cm erstellt. Diese leitete das Wasser direkt in ein neu gebautes Turbinenhaus unten an der Reppischtal-Strasse, um das nutzbare Gefälle zu erhöhen. Die Turbine leistete beim maximalen Durchfluss von 230 Liter/Sekunde ca. 60 Kilowatt. Das neue Werk war zu seiner Zeit eine beachtliche Pionierleistung. Theophil war Mitglied der kantonsrätlichen Kommission, die 1908 das Gesetz für die Gründung der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) vorbereitete. Zudem ermöglichte er der Post, ihre dreirädrigen Elektro-Zustellfahrzeuge in seinen Fabrikarealen zu laden. Dafür baute er öffentliche Ladestationen in seinen bereits mit Elektrizität versorgten Fabriken Hausen, Aeugstertal und Mettmenstetten. 1911 propagierte er sogar eine schienenlose elektrische Bahn, heute unter der Bezeichnung Trolleybus bekannt. Dieses Projekt wäre für die Schweiz zu diesem Zeitpunkt etwas völlig Neuartiges gewesen. Er plante eine Linie von Sihlbrugg über Hausen via Mettmenstetten und Affoltern nach Bremgarten und spurte damit den späteren Kraftwagen-Omnibus-Betrieb der Post von 1920 vor. Davor war das Oberamt nur durch Pferdepost-Kutschen erschlossen.
1911 kaufte Theophil von Jakob und Johannes Grob in Hausen die benachbarte Mühle mit der dazugehörigen Landwirtschaft. Sein Haus in der Grünau liess er im gleichen Jahr Stein um Stein abtragen und in Mettmenstetten an der Bahnhofstr. 36 identisch wieder aufbauen. In der Grünau, auf dem Hügel über der Fabrik, errichtete er nach Plänen der Architekten Pfleghardt und Haefeli eine neue geräumige Villa. Doch noch bevor er in den Neubau einziehen konnte, starb Theophil Zürrer-Syfrig 1912 46-jährig an einem Nierenleiden.
Der Briefkopf mit den drei Fabriken v.l.n.r.: Hausen am Albis, Aeugstertal, Mettmenstetten
Die Kollektivgesellschaft Zürrer & Co.
Die verbleibenden Geschwister Robert Zürrer-Illi und Fanny Weisbrod-Zürrer bildeten zusammen mit der Witwe Emmy Zürrer-Syfrig die Kollektivgesellschaft „Zürrer & Co., vorm. T. Zürrer“. Der Kollektivgesellschafts-Vertrag regelte in 15 Paragraphen das Gesellschaftskapital, die Geschäftsführung, den Anteil an Gewinn und Verlust, Teilung bei Tod eines Gesellschafters, die Kündigungsmöglichkeiten und die Möglichkeit, ein Schiedsgericht einzusetzen zur Schlichtung von Streitigkeiten. Der Vertrag wurde auf zehn Jahre fest bis 1923 abgeschlossen. Daran beteiligt waren Emmy zur Hälfte, Robert und Fanny je zu einem Viertel. Die Geschäftsleitung übernahmen Direktor Emil Huber und die Buchhalterin Emma Frick, August Scheller war für den Verkauf der Kleiderstoffe zuständig. 1920 verstarb Dr. Robert Zürrer-Illi und seine Familie zog sich aus dem Geschäft zurück. Die Kollektivgesellschaft gehörte nun der Witwe von Theophil, Emmy Zürrer-Syfrig und Fanny Weisbrod-Zürrer, im Entscheidungsgremium dabei war deren Ehemann Gustav Weisbrod von der Weinhandlung in Affoltern.
Die Weisbrod-Weinhandlung am Kronenplatz in Affoltern am Albis, ca. 1920
Der Boom der Nachkriegszeit
Wegen des Ersten Weltkriegs 1914-18 musste auf einen geplanten Neubau verzichtet werden. Die Kriegszeit mit Blockade und Gegenblockade behinderte den Zugang zur Rohseide und den Absatz der Stoffe. Nach dem Krieg und bis Mitte der zwanziger Jahre setzte jedoch eine grosse Nachfrage nach Seidenstoffen ein, was zu einem sehr erfreulichen Geschäftsgang führte. Nach England konnten erfolgreich stückgefärbte Seiden- und Krawatten-Stoffe exportiert werden. Crêpe-Gewebe, die auf neu entwickelten mehrschiffligen Webstühlen gewoben wurden, erfreuten sich grosser Nachfrage. Die Weberei umfasste insgesamt 246 Webstühle. Im ganzen Knonauer Amt waren damals etwa 1’585 Webstühle in Betrieb.
Zum 100-jährigen Bestehen der Firma, im Jahr 1925, wurden 40’000 Franken in die Patronale Stiftung, die noch heute besteht, einbezahlt. Das war der Beginn einer Pensionskasse für die Angestellten und Arbeiter.
Durch die vorsichtige Wachstumspolitik im Nachkriegsboom der 20-er Jahre ist die Firma im Vergleich zu den Konkurrenten immer eher klein geblieben. Dadurch war sie in den Krisenjahren flexibler und weniger verletzbar.
Aus der Familiengeschichte
Da die Witwe Emmy Zürrer-Syfrig keine Nachkommen hatte, zeichnete sich ab, dass die Söhne von Fanny-Weisbrod-Zürrer für die Nachfolge im Betrieb ausgebildet werden sollten. In den 1920er-Jahren, nach der Kantonsschule in Trogen, bildeten sich Richard und Hans Weisbrod im Seidenfach aus. Richard, der lieber Kunstmaler geworden wäre, reiste für Ausbildungsaufenthalte nach Lyon, Paris, Italien, London und Nordamerika. In Paris konnte er sich am Rande auch mit der Malerei beschäftigen. Hans besuchte die Seidenwebschule in Zürich und die Handelsschule in La Neuveville (BE) und arbeitete anschliessend zur Weiterbildung in London, Italien und Lyon.
Hubert Weisbrod, der älteste der drei Brüder, wurde Jurist, war in Zürich ein hoch angesehener Anwalt und u.a. als langjähriger Präsident des ACS Zürich für seine humorvollen Martinimahl-Reden bekannt. Er heiratete 1943 Mary Scherrer von Vilters. Seine Leidenschaft galt der Schwarz-Weiss-Fotografie und ganz der Familientradition entsprechend der Jagd.
Hans Weisbrod heiratete 1932 die Theologin Marion Bühler aus Uzwil. Sie wohnten zuerst im grosselterlichen Haus an der Zugerstrasse 21, das durch Erbteilung in den Besitz seiner Cousine Fanny Rychener-Zürrer kam. Da er stark an Asthma litt, liess er im Weidli oberhalb Ebertswil an nebelfreier Lage ein Wohnhaus bauen, von seiner Frau Marion „Zum weiten Horizont“ genannt.
Sein älterer Bruder Richard heiratete 1936 Lucette Glardon aus Vallorbe. Sie hatte in Manchester in England als Au-Pair gearbeitet. Im dortigen Swiss Club hatte er sie kennengelernt. Das Paar hatte in England drei Töchter und einen Sohn: Annette Jeanne (*1937), Jacqueline Luce (*1939), Peter Ronald Richard (*1942) und Denise Antoinette (*1944). 1933 verstarb Fanny Weisbrod-Zürrer 50-jährig. Ihr Gemahl Gustav Weisbrod starb 1938. Emmy Zürrer-Syfrig hingegen lebte bis 1954 und wurde 79.